Der zweite Teil unserer Reise durch Brasilien (und Bolivien) nach Peru beginnt auf dem Campingplatz Aldeia Velha am Rand des NP's Chapada dos Guimares.

In Cuiaba machen wirf einen Großeinkauf (für eine potentielle Reise durch Bolivien) und übernachten wieder auf der Facienda 3j, mittlerweile sind wir dort fast Stammgäste. Mit uns machen 40 Grundschullehrerinen eine Wochenendsause. 

Nach vielen Überlegungen fahren wir die nebenstehende Tour durch Brasilien und müssen wieder tausende von Kilometer durch Rinderland und Agrarsteppe fahren. Da alles Land eingezäunt ist, gibt es trotz des menschenleeren Landes kaum Möglichkeit, frei zu campieren. Deshalb übernachten wir die nächsten 4 Male auf Tankstellen, etwas, was wir bisher tunlichst vermieden haben. Die Tankstellen hi haben aber oft riesige Parkflächen für die Monstertrucks, so dass man doch recht weit von der Straße entfernt stehen kann. So ist der Straßenlärm zu ertragen.

In Guajara-Mirum fahren wir sehr abenteuerlich auf einer Pontonfähre über den Rio Marmore. Der nächste Stopp ist im Hotel Itauba, eine wunderschöne Anlage an einem See, gleich hinter der Grenze zu Bolivien. Dann geht es über Asphalt bis Riberalta (wir hatten Gravel erwartet) und hier haben wir einen sehr interessanten Aufenthalt in einer uralten Paranussfabrik. Von hier aus geht es über Gravel Richtung NP Manuripi, wir erhoffen uns hier "echtes" Urwaldfeeling. Aber weit gefehlt. Es gibt zwar immer wieder längere Urwaldstückchen entlang des Weges, auch die Miniortschaften sind Urwaldlike. Ansonsten begrüßen uns wieder die wohl bekannten Rinderfarmen, nur am Horizont hinter den Rinderweiden sieht man Waldstreifen. Der Unterschied zwischen Nationalpark und Nichtnationalpark ist der, dass der Nationalpark dichter besiedelt ist, als die Landschaft drum herum und es im Nationalpark noch weniger Wald direkt neben der Straße gibt. Trotzdem, die Flussüberquerungen machen die Strecke abenteuerlich und ein 12 stündiger Tropenregen, der die Piste total durchweicht.

Wir übernachten auf einem Notplatz, auf einem Waldweg dicht neben einer Straßenbaustelle (die Straße wird hier riesig ausgebaut) und auf einem Sandplatz, wo Material für den Straßenbau hergeholt wurde. Und dann sind wir schon wieder in Brasilien. Eine Mineralwasserfabrik bietet sich als Übernachtungsplatz an und dann geht es nach Peru hinein, die letzte Etappe führt durch waldreiche Gegend nach Puerto Maldonado und hier auf die wunderschöne Anaconda-Lodge.

Freitag, 30.10.2015 Auf dem Rückweg nach Cuiaba machen wir noch eine Wanderung zu zwei Wasserfällen, die zwar nett sind, aber keinesfalls so spektakulär, wie wir es mittlerweile gewohnt sind von Wasserfällen in den Anden.

Wir treffen einen Deutsch sprechenden Guide, den wir von der Pousada Vitoria her kennen. Er rät uns dazu, auf unserem Weg nach Peru gleich hier nach Bolivien einzureisen. Wir würden dann durch das bolivianische Pantanal fahren und später durch viel Urwaldgebiet. Bis Puerto Maldondado in Peru wären es ca. 2700 km, davon ca. 2000 km Gravelroad. Als wir nach einem Großeinkauf in Cuiaba am Abend wieder auf der Facenda 3j eintrudeln, sind wir bereits alte Bekannte, die freundlich begrüßt werden. Im Swimmingpool tummeln sich etwa 40 Grundschullehrerinnen, die hier mit kräftigem Südamerika-Pop ihren Betriebsausflug feiern. Wir verziehen uns deshalb in den hinteren Teil der Facenda, und beratschlagen dort, welchen Weg wir nun Morgen einschlagen sollen. Wir haben drei Alternativen:

 Nummer eins (die „rote“ Tour auf der Karte: Es ist auf jeden Fall die spannenste Tour, durch viel „Pantanal“, Regenwald, tierreiche Pampa (so wurde es uns geschildert), entlang von alten Jesuitenmissionen.

Bei dieser Tour wären etwa 2000 Pistenkilometer zu fahren, und das mit der Möglichkeit, in eine länger anhaltende Regenperiode hinein zu geraten. Sie sieht wie folgt aus:

- Bei Caceres, etwa 100 Kilometer nordwestlich von unserem Standort entfernt, über die Grenze nach Bolivien.

- Von dort in westlicher Richtung über Trinidas, San Borja nach Rurrenabaque. Von dort einen Abstecher in den Madidi National Park machen.

- von Rurreabaque in Richtung Norden nach El Choro fahren.

- von El Choro nach Westen durch die Manuripi Nacional Reserve fahren. Dabei die Flüsse Beni und Madre de Dios per Fähre queren.

- Bei Cojiba erneute Einreise nach Brasilien, und von dort gen Westen bis Assis de Brasil.

- In Assis de Brasil Einreise nach Peru und Weiterfahrt nach Puerto Maldonado.

 

Nummer zwei (die blaue Tour): Bis Puerto Maldonado sind es etwa 2500 km, alles Asphaltstraße. Der Routenverlauf ist:

- von Cuiaba in Richtung Norden nach Porto Velho.

- von dort in Richtung Südwesten über Abuna, dann weiter nach Rio Branco und Brasileia

- von hier aus würden wir der roten Tour folgen.

Nummer drei (die rostbraune Tour): Bis Puerto Maldonado sind es etwa 2600 km, davon 600 bis 700 Kilometer Piste.

- Bis Abuna entspricht sie der blauen Route.

- Von Abuna aus nach Süden bis zum Grenzort Guaya-Mirim

- Von dort mit der Fähre über den Rio de Mamore zum bolivianischen Grenzort Guayamerin.

- Von dort aus geht es in südwestlicher Richtung nach El Choro, und von dort verläuft die Route, wie Nummer eins.   

 Die Route 1 ist die spannendste Strecke, aber bei beginnender Regenzeit auch die „gefährlichste“. Die Route 2 ist die sicherste, aber auch die langweiligste und die Route drei liegt irgendwo zwischen den beiden anderen. Nach einigem Hin und Her entscheiden wir uns zu Gunsten der Sicherheit für die Route 3. Die Geschichte mit unserer gelöteten Grundplatte für den Allradantrieb sitzt uns natürlich in den Knochen. Was, wenn sich so etwas Ähnliches nach tausend Pistenkilometern wiederholen würde. Außerdem ist die Sorge, der große Regen könnte kommen, um einiges geringer.

Von Puerto Maldonado aus wollen wir eine 6-tägige Tour zum Tambopata Research Center an der Grenze zum Park Nacional Bahuaja-Sonene machen. Es wird dabei 9 Stunden den Rio Tambopata aufwärts gehen. Die Lodge hat den „Vorteil“, dass im Umkreis von vielen Kilometern niemand wohnt, man also wirklich ganz alleine im Urwald ist. Hartmut hat per Mail seine Fühler ausgestreckt. Es dürfte klappen, ganz genau werden wir das aber erst vor Ort, also in Porto Maldonado klären können.

Samstag, 31.10.2015 Wir machen uns auf den langen Weg nach Peru; die schnurgerade Strecke führt uns zunächst immer am Pantanal entlang. Ab und an schiele ich mal durch das Autofenster nach links, da, wo das Pantanal liegt. So ein bisschen Wehmut ist schon da, die Strecke über Bolivien wäre sicherlich sehr viel spannender gewesen, aber die Vernunft hat gesiegt.

Es ist wieder sehr, sehr heiß, und wir sind immer wieder froh, wenn wir wenigstens in der Mittagspause einen breit ausladenden Mangobaum finden können. Das hat außerdem den Vorteil, dass wir ein paar reife, zu Boden gefallene Früchte, einsammeln können. Am Abend bleibt uns nichts anderes übrig, als auf einem Fernfahrerrastplatz an einer Tankstelle zu übernachten. Zum Glück wollen die meisten Fernfahrer nur eines: nach einem Abendessen in ihre Koje zu fallen.


Sonntag, 1.11.2015 Auch heute geht es ohne große Verzweigungen auf eine der großen Hauptverkehrsadern nach Norden weiter. Obwohl die Landschaft teilweise recht hübsch ist, hügelig und Baum bestanden, kommen auch immer wieder längere Strecken, auf denen man links und rechts der Straße nur abgeerntete Riesenfelder sieht. Auf einem der Felder, hinter einer lang gezogenen Hecke, machen wir Mittagsrast, kaum im Schatten. Draußen ist alles wie ausgestorben, kein Laut ist zu hören, kein gar nichts! Das scheint der Preis zu sein für die unersättliche Gier der Menschen nach Fleisch, Soja und Bio-Sprit. Ich werde sehr nachdenklich: ich esse zwar kein Fleisch (das in Europa auch mit brasilianischem Soja gefüttert wird), aber ich esse zu Hause Soja, welches bestimmt nicht immer aus europäischer Produktion stammt. Ich nehme mir vor, in Deutschland jetzt darauf zu achten, woher das Soja kommt, das ich verwende. Auch Hartmut hat sich vorgenommen, seinen Fleischkonsum zu reduzieren. Wenn man so 300 km durch Rinderland fährt, wo früher überall Wald war, dann kann man nur nachdenklich werden. Später lesen wir in Spiegel Online, dass durch Waldabholzung u.ä. die Erzeugung von 1 kg brasilianisches Rindfleisch letztlich genauso viel Treibhauswirkung hat, wie 1600 km Autofahrt – und hier werden tausende von Tonnen erzeugt.

Weil alle Flächen hier auch eingezäunt sind, weichen wir auch heute Abend auf einen Trucker-Übernachtungsplatz an einer Tankstelle aus. Es gibt überraschend viele davon; aber der gesamte Verkehr besteht zu 90% aus LKW's, und auf den langen Fahrten müssen die Trucker schließlich auch über Nacht irgend wo stehen können. Die Trucker nehmen oft ihre Familie mit auf Tour. Dann wird am Anhänger eine Klappe ausgefahren.Hervor kommen eine komplette kleine Küche, Klapptisch und zwei Hocker. Über das Ganze ist ein Sonnenschutz gespannt. Wenn die

Frau oder Freundin dabei ist, wird auch schon mal kleine Wäsche gemacht. Uns nähert sich eine kleine vierjährige, die eins fix drei in unser WoMo geklettert ist. Sie versteht nicht, dass wir kein Portugiesisch können und plappert unentwegt auf uns ein. Erst, als der große Regen und Gewitter im Anmarsch sind, muss sie gehen, unter Protest, versteht sich. Wir stehen etwas entfernt von den großen Brummern, auf einer ehemalige Baustelle, nicht schön, aber ruhig, für uns immer das wichtigste Kriterium.


Montag, 2.11.2015 Heute wollen wir 540 Kilometer bewältigen. Nach dem Wassertanken geht es los. Die Landschaft verändert sich kaum: „Rinderwiesen“ mit einigen Bäumen darauf wechseln sich mit Riesenfeldern bis zum Horizont ab. Ganz unmerklich wird die Landschaft aber etwas freundlicher, aber noch lange nix, wo wir Europäer mal Urlaub machen würden. Bei Itapua do Oeste, kurz vor Porto Velho steuern wir wiederum einen Truckerplatz an, kleiner als die beiden anderen, und noch hässlicher. Aber wiederum ist uns eine ruhige, und , das muss deutlich gesagt werden, sichere Nacht am wichtigsten.


Dienstag, 03.11.2015 Am Morgen bedenken wir unsere Ventilatoren am Bett mit einem dankbaren Blick: das gleichmäßige Surren übertönt zuverlässig jeden Partylärm, und hat uns deshalb eine dritte ruhige Nacht beschert. Heute fahren wir bis Puerto Velho, machen einen großen Einkauf im Supermarkt, und düsen dann am späten Nachmittag nun in Richtung Westen zum Ort Abela, von wo aus die Straße nach Guaya-Mirin führt.

Bei Abuela geht es ein gutes Stück entlang des Rio Madeira, ein breiter Fluss mit riesigen Überschwemmungsflächen an beiden Seiten. Die Straße verläuft auf einem Damm und rechts und links sieht man überall tote Bäume mit den typischen Hochwasserringen an den Stämmen. Es sieht toll und fremdartig aus. In der Regenzeit muss das alles hier eine endlos weite Wasserwüste sein, der Fluss muss dann viele, viele Kilometer breit sein. Leider ist es schon zu spät, um Fotos zu machen, wir müssen noch eine Bleibe suchen.

Es dunkelt schon, als wir eine kleine Tankstelle ansteuern, die so gar nichts mit den Plätzen zu tun hat, auf denen wir die vorangegangenen Nächte verbracht haben. Immerhin, der Besitzer wohnt mit seiner Familie gleich nebenan, und zwei weitere Trucks leisten uns dann noch Gesellschaft. 

Mittwoch, der 04.11.2015 Am nächsten Tag regnet es wie aus Kübeln. Als wir in Guya-Mirin ankommen, steht die Stadt unter Wasser. Wir sind total verunsichert, denn theoretisch gäbe es auch noch die Möglichkeit, über die Route 2 nach Peru zu fahren, alles auf Asphaltstraßen. Wir erfahren, dass die Fähre heute am späten Nachmittag über den Fluss setzt, und setzen alles auf eine Karte. Wir lassen uns doch von so einem Tropenguss nicht gleich einschüchtern. Wir besorgen uns also die Ausreisepapiere bei den brasilianischen Polizei. Die sind aber nicht am Hafen beheimatet, sondern mitten in der Stadt. So dauert es etwas, bis wir sie finden.

Zunächst hieß es, die Fähre fährt um 14 Uhr. Da die Polizei bis 14 Uhr Mittagspause hat, beeilen wir uns total, nur um uns dann die Beine in den Bauch zu stehen. Die bolivianische Seite ist zollfreie Zone, es herrscht ein reger Handel. Waren, die auf LKW's auf die bolivianische Seite gebracht werden, werden viel höher besteuert, als Waren, die „zu Fuß“ nach Bolivien hineinkommen. Deshalb werden auf der brasilianischen Seite die LKW's entladen, die Ware um total verschlammten Flussufer zwischengelagert, um dann in kleinen Motorbooten zur anderen Seite gebracht zu werden.

Viele Pakete sind bleischwer (z.B. Pakete mit großen Kacheln), es herrscht ein Gewusel am Schlammufer und die Männer rennen pausenlos das Flussufer hinunter (mit Paketen) und dann wieder hinauf (ohne Pakete), es ist ein Knochenjob. Dieses Gewimmel ist für uns absolut fremdartig, durch den Regen ist alles total aufgeweicht und man muss auch ohne Gewischten auf den Schultern sehr aufpassen, um nicht im Schlamm abzurutschen. Und über allem drohen dicke Wolken mit neuen Regengüssen.

Um kurz vor 17 Uhr tuckert dann endlich die Pontonfähre von der bolivianischen Seite heran.

Zuerst darf ein Kühllaster „ an Bord“, es ist ein typisch brasilianisches Riesengefährt, was fast die gesamte Pontonfläche beansprucht. Wir klemmen uns dahinter und stehen mit unseren Hinterreifen schon auf der Verladerampe, damit die ganze Chose nicht absäuft. Der Kühllaster ist viel zu schwer und so kommt die Fähre nicht los vom Ufer. Erst als der Laster 3 mal ganz nach hinten setzt und mit Vollgas losfährt, um direkt vor dem Ende der vorderen Verladerampe abzubremsen, kommen wir los. Jedes Mal sehe den Kühllaster schon im Wasser versinken. Wir müssen zuerst zur Immigration, die in einem kleinen Holzgebäude mitten in der Stadt an einer Plaza liegt. Die Stadt hat 70 000 Einwohner, so eine Suche kann dauern und die Immigration macht in 30 Minuten zu. Diesmal ist das Glück uns aber hold und wir finden (nach mehrmaligen Nachfragen – wir sind wieder in einem spanisch sprechenden Land) in kurzer Zeit die Immigration. Entgegen allen bolivianischen Gepflogenheiten können wir die Leute dort überreden, uns einen Aufenthalt von 90 Tagen zu genehmigen (normal sind 30 Tage).

Dann rasch zurück zum Zoll und es ist schon dunkel, als wir glücklich mit allen erforderlichen Papieren gesegnet in die Stadt hinein fahren. Zum Glück hat die Overlander Web-site außerhalb des Ortes eine nette Finca an einem kleinen Badesee für uns parat. Es ist ein bildhübsches Hotel an einem kleinen See, wir dürfen auf dem Parkplatz vor dem Hotel im Grünen stehen, und auch die Dusche benutzen.

Donnerstag, 05.11.21015 Heute Morgen ist das Wetter zunächst durchwachsen, doch dann klart es auf. Wir frühstücken gemütlich in unserem WoMo, füttern noch die drei großen Haus-Papageien und bestaunen die vielen kleinen Papageien, die dort heimisch sind, dann kühlen wir uns im See ab.

An der Seite steht eine Gruppe von Halbwüchsigen mit ihrem Lehrer, der mit Trillerpfeife und Tabelle bewaffnet ist. Wir sind überrascht: es ist ein Schwimmwettbewerb einer Schulklasse in Brasilien!

Dann geht es wieder zurück nach Guayaramerin hinein zwecks Abheben von bolivianischem Geld, dann geht es los. Wir haben eine staubige Piste erwartet, und finden eine ordentlich ausgebaute Asphaltstraße vor. Rechts und links jedoch zeigt sich auch in Brasilien das mittlerweile übliche Bild: abgeholzter Wald zugunsten von ein paar Rindviechern, frische Brandrodungen, Wiesen mit lauter Stummelbäumen.

Nach 90 km erreichen wir Riberalta, ein verstaubtes Kaff. Wir tanken, und Marion fragt nach der Adresse einer hier ansässigen Schweizer Familie, die im Ort seit 1911 Paranüsse anbauen und vermarkten. Immerhin, der Tankstellenpächter organisiert für uns die Telefon-Nummer. Ein Anruf ergibt, dass die Familie die Fabrik 2006 an ein brasilianisch-englisches Unternehmen verkauft hat. Kurzer Hand fahren wir zur Fabrik, und erbitten einen Platz für die Nacht. Alles läuft sehr formell ab. Zunächst darf nur ich auf das Gelände, der Chef wird informiert und eilt herbei. Da ich versichere, wir bräuchten für eine Nacht wirklich nur einen Parkplatz willigt er ein.

Freitag, 06.11.2015 Am nächsten Morgen erfahren wir mehr über die Paranuss. Paranussbäume wachsen im Urwald, und bilden große, runde Früchte mit Schale aus. Geerntet werden kann erst, wenn die Früchte selber vom Baum fallen. In der Schale befinden sich etwa 12 Paranüsse. Das Transportieren der ungeöffneten Kerne innerhalb des Fabrik-Geländes wird von meist jungen Männern besorgt, von denen fast jeder eine runde „Koka-Backe“ hat. Es sind zentnerschwere Säcke, die sie auf ihren Rücken schultern und , auf die LKW's laden (oder von den LKW's runterholen), bei dieser Schwerstarbeit wirklich verständlich.

Die Frauen saßen derweil an langen Förderbändern und sortierten unter Ohren betäubendem Lärm die Nüsse, bzw. puhlen sie aus den Schalen. Die gesamte Technik der Fabrik ist steinalt (vielleicht Mitte letztes Jahrhundert, funktionierte aber immer noch einwandfrei. Meiner Bitte entsprechend dürfen wir ein Kilo Nüsse mitnehmen, gegen Bares. Auf den Versandkisten stand übrigens zu lesen: Save the Dschungel, buy Brazil Nuts.

Auf mäßiger Gravelroad geht es durch die schon bekannte Landschaft: viel Weideland, wenig Wald. Bevor wir nach etwa 70 Kilometern die Richtung wechseln, müssen wir noch Straßenbenutzungsgebühren bezahlen, und dafür noch eine umständliche Registrierung unserer Papiere hinnehmen. Die Besiedlung wird jetzt dünner, die Anteile mit Wald nehmen etwas zu. Aber immer wieder stoßen wir auf frisch abgebrannte Flächen. Es beginnt zu regnen, dunkle Wolken türmen sich vor uns auf. Wir schalten unseren Kühlschrank aus, und fahren nun schneller über die Piste, die jetzt zunehmend matschiger wird.

Am Rio Beni müssen wir eine Pause einlegen, bis wir auf die klapprige Pontonfähre dürfen.

Die Abfahrt zum Fluss ist steil, schlammig und eng und Hartmut muss unser WoMo ganz auf die Seite fahren, damit die ankommenden Autos hoch können. Beim rückwärts rangieren übersieht er eine tiefe Rille im Boden (er kann sie von seinem Platz aus einfach nicht sehen). Er fährt hinein, das Womo kippt zu Seite und die beiden bergseitigen Räder haben etwas vom Boden ab. Ich schreie vor Entsetzen, aber die Räder fallen wieder zurück, das Womo steht wieder sicher und Hartmut fährt mit der Untersetzung aus der Rille hinaus, ich bin stocksauer.

Auf der anderen Seite geht es wieder steil und schlammig hoch, oben ist ein kleines Urwaldkaff und wir müssen uns mal wieder mit allem registrieren lassen. So ein bisschen kommt sogar die Sonne heraus.

Die Landschaft wird jetzt urwaldhaftiger, die (frisch gerodeten) Felder werden weniger, natürlich beginnt der Regen wieder und macht die Piste immer glitschiger.

Die Gegend ist kaum besiedelt, nur ab und zu kommt ein Minidorf aus wenigen Hütten bestehend.

Wir fahren im Regen bis nach Nuevo Horizonte, einem schlammigen Urwaldkaff. Da es bereits dunkelt, stellt sich die Frage: wo, in aller Herrgotts Namen können wir hier übernachten??? Neben der Piste gibt es tiefe Gräben fürs Regenwasser, wenn da nicht ein Weg zur Seite hin vorgesehen ist, gibt es keine Chance, die Piste zu verlassen – und Wege führen praktisch immer zu irgendwelchen Häusern.

Wir fahren einen 2 Kilometer rückwärts gelegenen „Notplatz“ an, der sich unmittelbar neben der Straße hinter einem Gesträuch verbirgt. Wir sind froh, überhaupt diesen Platz auf dem Hinweg entdeckt zu haben. Es wird eine heiße Nacht. Von oben tropft es innen in der Koje genau auf mein Gesicht; das Dach ist also immer noch nicht dicht! Und drei Mal schrillt unsere Alarmanlage und ruft; „ Hallo, hier sind wir!“ Zweimal ist es die Alarmanlage vorne im Auto. Erst als Hartmut beide Bewegungsmelder abklebt, gibt sie Ruhe. Und einmal ist es die Alarmanlage im Womo selber, die ohne jeden Grund plötzlich losschrillt. Ich bin total genervt, und kann erst schlafen, als Hartmut mir versichert, dass jetzt keine Anlage mehr schrillen kann.

Samstag, 07.11.2015 Am Morgen schaffen wir es nur mit Mühe und Allrad und Vorgelege, wieder auf die Straße zu kommen. Jetzt beginnt eine richtige Schlammschlacht.Hartmut fährt mit Allrad, da das WoMo in den tiefen Spurrillen der Straße immer wieder auszubrechen droht. Wir bewundern die vielen Motorradfahrer, die sich mit Sack und Pack und Kind und Kegel (3 Erwachsene oder 2 Erwachsene und 2-3 Kinder sind normal) durch dem Schlamm pflügen. An der Ansiedlung El Serena warten wir auf die Fähre über den breiten Rio Madre De Dios. In der Wartezeit versucht Hartmut erneut mit Plastikplane und Dichtmasse unter WoMo Regenfest zu bekommen. Nach 2 Fährkilometern erreichen wir auf der anderen Seite den Nationalpark Manuripi, den wir auf der Schmalseite durchqueren wollen. Hartmut ist sehr gespannt auf den Urwald.

Aber wir werden bitter enttäuscht. Nach etwa 30 Kilometern schöner Urwaldlandschaft mit tollen hohen Bäumen links und rechts der Straße wirkt die Landschaft wieder wie zersiedelt. Hier ein Flecken Rinderlandschaft, da ein Fleckchen Wald, hier ein Flecken Maisanbau, usw… Und dann trauen wir unseren Augen nicht: vor uns erstreckt sich die schon ausgebaute Sandtrasse einer vierspurigen Straße, es fehlt nur noch der Asphalt. Links und rechts der neuen Straße hat man überdimensional breite Wassergräben angelegt, so dass wir noch nicht einmal von diesem Monsterteil herunterkommen. Überall steht schweres Gerät für den Straßenbau. Zum Glück finde ich doch noch eine Abfahrt, die zu einem matschigen Weg in den Urwald führt. Wir können zwar theoretisch von der neuen Trasse aus gesehen werden, aber in der Dunkelheit sieht uns kein Mensch.

 

Sonntag, 08.11.2015 Nach dem Sonntagsfrühstück laufen wir noch ein Stück in den stehen gelassenen Urwald hinein, und ahnen, wie es hier einmal ausgesehen hat, die Pflanzenvielfalt begeistert uns immer wieder.

Wir fahren dann über eine ziemlich schlechte, holprige Gravelroad nach Puerto Rico, wo der Park endet. Neben kurzen Teilstücken mit intaktem Urwald gibt es auch hier eine breit abgefackelte „Rinderschneise“ neben der Straße. Wo eine Straße ist, wird der Wald abgefackelt für Rinderweiden, wir haben das Gefühl, dass dies im Nationalpark noch häufiger ist als in der umgebenden Landschaft.

Um bis zum Ort Porvenir voran zu kommen, schalten wir wieder einmal den Kühlschrank aus, und Hartmut setzt all sein fahrerisches Können ein, um mit 60 kmh über die Knüppelpiste zu „brettern“!. Kurz vor dem Ort finden wir einen versteckten Platz, auf dem wir in Ruhe und ungesehen übernachten können. Es ist ein „Kiesplatz“, an dem für frühere Straßenbauarbeiten Baumaterial geholt wurde. Der Platz ist groß und wir können uns hinter einem Hügel verstecken, so fühlen wir uns für die Nacht sicher.

Montag, 09.11.2015 Erste Amtshandlung heute Morgen in Porvenir ist eine gründliche Autowäsche. Zwei junge Kerlchen stehen, mit einer Plastikplane bekleidet unter dem Auto und versuchen, etwa 25 Kilo Lehm abzuspritzen. Der Jüngere mag erst so 12 Jahre alt sein, und es ist 10 Uhr am Vormittag. Die Frage nach der Schule schmettert er ab: die sei erst am Nachmittag – das ist nicht ganz richtig und nicht ganz falsch geantwortet. In südamerikanischen Schulen gibt es häufig Vormittagsunterricht und Nachmittagsunterricht, so kann ein Schule doppelt soviel Schüler unterrichten. Dann kommt aber ein Freund von ihm vorbei in Schuluniform und mit Schulranzen, wir denken, dass der Junge lieber Geld hier verdienen will/muss als zur Schule zu gehen.

Die Grenzformalitäten in Cobija gleichen einem Marathonlauf, bei dem man alle halbe Stunde einen Meter weit voran kommt. Kostprobe gefällig:

  • 2 Stunden Warten vor der Aduana, bis die Mittagspause vorbei ist.
  • Die Aduana erklärt, dass sie nicht für uns zuständig ist. Die Grenze ist ungenau markiert und so sind wir gleich zur brasilianischen Seite durchgerauscht, ohne es zu merken.
  • Auf Nachfrage finden wir nach einiger Sucherei die bolivianische Immigration, wir bekommen die Ausreisestempel in unsere Pässe.
  • Wo ist die bolivianische Aduana??? Neben der Immigration gibt es einen Container mit einer Aduana-Aufschrift, leider wegen der Mittagspause zu. Als endlich einer ankommt und den Container aufschließt, ist der Raum sofort voll mit LKW-Fahrern. Hartmut drängelt sich vor und zeigt die Papiere. Nein, sie sind nicht für uns zuständig, für temporäre Importgenehmigungen ist eine Aduana mitten in der Stadt zuständig.
  • Wo ist die???? Ein Zollbeamter bittet einen Bekannten, uns mit seinem Auto dorthin zu eskortieren. Ohne ihn hätten wir die Aduana nie gefunden, sie liegt weit weg von der Grenze in der Nähe des zentralen Plaza del Armas.
  • Lange Diskussionen in der Aduana, wozu wir überhaupt kommen. Wir haben doch eine temporäre Importgenehmigung, die noch ausreichend lange gültig ist. Nur als die Dame von der Aduana die entsprechende Computermaske aufruft, wird´diese automatisch ungültig, irgendwie haben wir das System der temporären Einfuhrgenehmigungen noch nicht verstanden.
  • Dann kommt die Vorgesetzte, die etwas Englisch kann und erklärt, dass Sie für uns eine neue 90-Tage-Genehmigung für Bolivien ausstellt. Wenn wir das nächste Mal in Bolivien einreisen, brauchen wir keine weitere. Allerdings benötigt sie dazu mehrere Fotokopien.
  • Wo gibt es einen Copyshop???? Eine Mitarbeiterin macht mit Hartmut einen längeren Spaziergang und er kommt mit den erforderlichen Kopien zurück, die neue Importgenehmigung wird angefertigt, aber es dauert, und dauert und dauert.

Nun aber nichts wie weg zur brasilianischen Immigration, aber wo ist selbige??? Wir fahren nach Brasilien hinüber (eine brasilianische Importgenehmigung für das Womo brauchen wir ja nicht). Wieder kurbeln wir – mittlerweile ganz schön genervt – durch die Ortschaft und suchen die Polizeidienststelle. Endlich finden wir sie und nach kurzer Zeit halten wir unser Dreitage-Visum für die Durchreise durch Brasilien in der Hand halten. Nun aber nichts wie weg!! Wir haben insgesamt fast 5 h gebraucht.

Wir fahren auf der sog. Transoceanica, eine berühmte Verbindungsstraße zwischen Atlantik (in Brasilien) und Pazifik (in Peru). Sie ist jetzt eine einzige Ansammlung von Kratern und tiefen Schlaglöchern, die sich oft quer über die ganze Straße ziehen. Hartmut fährt heftig Slalom. Zum Glück ist es gähnend leer hier.

Wir wollen heute eigentlich bis nach Assis Brasil fahren an der peruanischen Grenze. Bis dahin sind es aber noch mehr als 100 km und es wird langsam dunkel. Also spähe ich in alle Richtungen. Da entdecke ich eine Mineralwasserfabrik, etwas abseits von der Straße im Grünen, und erkläre sie zu unserem Übernachtungsplatz. Fabriken sind immer eine gute Bank, steht man hier doch sicher. Nach kurzer Unterhaltung (Hände und Füße inbegriffen, weil portugiesisch doch so gar nicht zu verstehen, geschweige denn aus zu sprechen ist) dürfen wir bleiben, heiße Dusche, Toilette und ein sehr langsames WiFi inbegriffen.

Dienstag, 10.11.2015 Wir brechen früh auf, denn die 305 Kilometer bis Puerto Maldonado wollen geschafft sein. Bis Assis Brazil wieder Rinderland (hört das je auf?). Der Grenzübertritt ist hier schnell vollzogen, und jetzt haben wir auch eine erstklassige, asphaltierte Straße unter den Rädern. Wir sind guter Dinge, das wir die Strecke bis zum Nachmittag schaffen können.

Die Landschaft ist hier gemischt, sogar kleine Wäldchen gibt es, es ist richtig hübsch. Je näher wir nach Puerto Maldonado kommen, desto mehr Brandrodungen sehen wir. Teils auf noch rauchendem Untergrund stehen hier die Hütten der Allerärmsten. Als wir bremsen, kommt ein älterer Mann gelaufen, hebt beide Arme hoch, und ruft mit einem glücklichen Lächeln im Gesicht „ Papaya, mucho Papaya!“ Wir sind schockiert. Eigentlich wollte ich in Kürze wieder eine Marmelade mit Papaya herstellen, aber jetzt?? Je näher wir an Puerto Maldonado herankommen, desto mehr Papaya-Plantagen gibt es. Die Felder sind zu groß für „kleine Bauern“, wir denken, dass hier eine Großfirma die Ländereinen aufgekauft hat.

In Puerto Maldonado ziehen wir erst einmal peruanisches Geld am Automaten, dann laufen wir auf der Anaconda-Lodge ein, ein Tropenidyll mitten in der Stadt. Der Vordereingang ist zu niedrig für unser WoMo (ca. 2,75 m Höhe), deshalb parken wir am Hintereingang. Der Platz wird bewacht von einer Kamera, der Bildschirm dazu steht im Restaurant der Lodge. Der Besitzer der Lodge kommt aus der Schweiz, und hat seine thailändische Ehefrau mitgebracht, die hervorragend kocht. Der Garten der Lodge ist eine wundervolle Tropenidylle mit einer Vielzahl von Bäumen und Blumenpflanzen, viele kleine Spazierwege führen durch das große Gelände der Lodge. Am Eingang zum Restaurant begrüßt uns ein ausgewachsener Brüllaffe, der immer wieder freiwillig zur Lodge kommt. Daneben haben sie auch einen nur wenige Wochen alten Brüllaffenjunges, die Einheimischen haben seine Mutter zwecks Nahrungsbeschaffung erledigt. Dazu gibt es diverse Papageien und sonstige Vögel, es herrscht ein munteres Leben in der Pflanzenwelt der Lodge. Aber erst mal tauchen wir ab in den Swimmingpool, alles weitere wird sich finden.

Mit Peru-2 geht es weiter.